Messen mit professionellen Mitteln - Blaubeuren (Abschlussbericht)

Tätigkeit, Tageszeit und Umgebung spielen eine wichtige Rolle ob Lärm im Tieftonbereich (kurz LFN) eine unangenehme Begleiterscheinung oder eine dramatische Belastung darstellt. LFN vermindert das Wohlbefinden selbst dann, wenn er nicht bewusst wahrgenommen wird. Es ist darum angezeigt, dass genau so wie im Umgang mit Giftmüll oder radioktivem Material auch bei Lärmemissionen präventiv Massnahmen zum Schutze der Wohnbevölkerung ergriffen wird.
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hifi
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Messen mit professionellen Mitteln - Blaubeuren (Abschlussbericht)

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Einführung

Am leichtesten wäre ein derartiger Nachweis zu führen, wenn während der Messungen Veränderungen der Intensität oder der Frequenz des Brummtons von den Betroffenen wahrgenommen würden. In diesem Fall ließe sich, sofern Infraschallquellen für den Brummton verantwortlich sind, durch Änderungen des zeitlichen Verhaltens der gemessenen Infraschalldaten ein direkter Zusammenhang feststellen. Ausgehend von diesen Vorstellungen wurde ein Messeinsatz mit vier mobilen Infraschall-Messsystemen mit der Interessengemeinschaft zur Aufklärung des Brummtons (IGZAB) im Raum Blaubeuren vereinbart.nsienter Infraschallsignale, sind die Messungen und deren Ergebnisse als Erfolg zu bewerten.








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Ziele


Neben der Erkundung des Phänomens Brummton sollten mit den Messungen, für die ein Zeitraum von insgesamt einer Woche angesetzt wurde, noch weitere Ziele verfolgt werden:
␣ Sammlung von Erfahrungen mit den Mobilstationen im Feldeinsatz, die bei diesen Messungen erstmalig über mehrere Tage erprobt werden sollten.
2
␣ Eignungstests unterschiedlich geformter räumlicher Filter hinsichtlich ihrer Fähigkeit das Hintergrundrauschen, welches primär durch Wind oder künstliche Lärmquellen (Verkehr, Maschinen) erzeugt wird, zu reduzieren.
␣ Lokalisierung von Infraschallquellen durch Kreuzpeilung von gleichzeitig an der fest installierten und von der BGR betriebenen Infraschall-Messanlage I26DE bei Bischofsreut im Bayerischen Wald und den mobilen Infraschallstationen aufgezeichneten Signalen.
␣ Bewertung der durch die räumlichen Filter erreichten Absenkung des Hintergrundrauschens anhand einer anschließend durchgeführten Vergleichsmessung am I26DE-Standort. Eine Beschreibung dieser Station findet sich unter http://www.seismologie.bgr.de/web/gndc/sta_deu/ station.html.
Um die Frage der Erzeugung des Brummtons durch Infraschallquellen klären zu können, war bei den Messungen auf die Einhaltung folgender Voraussetzungen zu achten:
␣ Der Standort sollte so gewählt sein, dass rundum freie Sicht zum Horizont oberhalb eines Winkels von 20° besteht, um Abschirmungseffekte und Reflexionen der empfangenen Infraschallsignale an Hindernissen wie Gebäuden oder Bergen auszuschließen.
␣ Die Messungen sollten möglichst bei geringen Windgeschwindigkeiten durchge- führt werden, um den Pegel des durch Wind erzeugten Hintergrundrauschens gering zu halten.
␣ Am Standort sollte das Brummgeräusch von den Betroffenen wahrgenommen und während der Messungen Änderungen angezeigt und protokolliert werden.
Diesen Anforderungen entsprechend wurde ein Standort nordwestlich von Blaubeuren ausgesucht, der auf dem Ausschnitt der topographischen Karte in Abbildung 1 durch einen Kreis gekennzeichnet ist. Da zum Zeitpunkt der Messungen zwischen dem 13. und 16. Mai Hochdruckwetter herrschte, waren günstige Windverhältnisse mit geringen Windgeschwindigkeiten und entsprechend niedrigem Hintergrundrauschen zu erwarten. Insofern lagen ideale Voraussetzungen vor, um zu klären, ob eine oder mehrere stationäre Infraschallquellen Signale erzeugen, die mit dem von den Betroffenen wahrgenommenen Brummton korreliert werden können.
hifi
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Mobile Infraschall-Messstationen

Die Messungen wurden mit vier mobilen Registriersystemen durchgeführt. Der Aufbau jeder einzelnen Station ist schematisch in Abbildung 2 dargestellt. Allerdings wurde auf die Datenübertragung mittels Mobiltelefon verzichtet, ebenso wie auf die seismische Parallelregistrierung mit dem GEOTECH SJ13 Seismometer. Aufgrund der räumlich eng begrenzten Messanordnung der vier Mobilstationen (vgl. auch Abb. 1 rechts oben) wurde nur
eine Wetterstation (MET-Station) verwendet.

Der verwendete Mikrobarograph (Modell MB2000) operiert in einem Frequenzbereich zwischen 0.02 und 27 Hz, wie die Übertragungsfunktion in Abbildung 3 zeigt. Die Empfindlichkeit des Sensors ist sehr hoch, bzw. der kleinste noch auflösbare (Luft)- Druckunterschied ist sehr gering; er liegt bei etwa 0.1 mPa (10-4 Pa oder 10-9 bar – ein Milliardstel der Luftdrucks!). Dies entspricht nach der barometrischen Höhenformel – sie besagt, dass der Luftdruck mit zunehmender Höhe abnimmt – einer Höhendifferenz von einem Fünfzigstel der Dicke eines Blattes Papier. Alle von den Mikrobarographen gelieferten Messdaten wurden mit einer Frequenz von 100 Hz abgetastet, d.h., es wurden 100 Werte pro Sekunde in Form einer kontinuierlichen Zeitreihe aufgezeichnet und auf Festplatte gespeichert. Damit lassen sich Frequenzen bis etwa 40 Hz eindeutig auflösen. Oberhalb 27 Hz nimmt jedoch die

Empfindlichkeit wegen der Frequenzcharakteristik des Mikrobarographen stark ab (vgl. Abbildung 3).

Jeder Mikrobarograph verfügt über vier Einlässe zur Messung des Luftdrucks, auf die beispielsweise poröse Gartenschläuche unterschiedlicher Länge gesteckt werden, die auf dem Boden ausgelegt ein räumliches Filter bilden. Durch die flächenhafte Aufnahme des Luftdrucks bzw. der relativen Druckschwankung werden hoch- frequente Störsignale vermindert, wie sie z.B. durch Wind oder Verkehr erzeugt werden.



Auswertung der Messdaten

Grundlegende Annahme bei der Auswertung der Messdaten war, dass, sofern ein Zusammenhang zwischen Brummton und Infraschallsignalen besteht, der als quasi monoton wahrgenommene Brummton von stationären Infraschallquellen stammen muss, d.h. von Quellen, die über längere Zeit (mehrere Minuten bis zu einigen Stunden oder Tagen) weitgehend ortsfest sind und Infraschallsignale in einem oder mehreren Frequenzbändern erzeugen. Daher wurde in den kontinuierlichen Aufzeichnungen vorrangig nach Signalen gesucht, die mit nahezu konstanter Frequenz während der Messungen auftraten. Da solche Signale in der Zeitreihendarstellung kaum zu erkennen sind, erfolgt eine Transformation in den Frequenzbereich (Fourier-Transformation). Die sich ergebende spektrale Darstel- lung gibt Aufschluss über die Stärke der einzelnen Frequenzen zwischen 0 Hz und der halben Abtastrate (hier 50 Hz). Wird diese Frequenztransformation fortlaufend für kürzere Segmente der Zeitreihe durchgeführt und die Stärke bei den einzelnen Frequenzwerten farbcodiert dargestellt, also eine sogenannte Frequenz-Zeit-Analyse (Sonogramm) durchführt, so lassen sich die gesuchten Signale als waagerechte Linien in den Sonogrammen erkennen.

Neben der Frequenz-Zeit-Analyse wird für die Analyse der Messdaten das sogenannte Leistungsdichtespektrum (,,power spectral density’’ PSD) verwendet. Ein derartiges Spektrum gibt an, welche Leistung (proportional zum Quadrat des Schalldrucks) abhängig von der Frequenz in den Daten enthalten ist. Sofern monochromatische Signale in den Aufzeichnungen enthalten sind, werden diese durch deutliche Spitzen in den Kurven sichtbar. Man beachte dabei, dass im Zeitbereich die Amplituden dieser monochromatischen Signale deutlich kleiner sein können als das durchschnittliche Amplitudeniveau des Hintergrundrauschens.

Am 14. Mai zwischen 20:00 und 22:00 (UT) fanden sich mehrere Betroffene am Standort der Messungen ein und nahmen den Brummton als gleichförmiges Geräusch ohne signifikante Schwankungen wahr. Im Vergleich zum Brummton in der Stadt Blaubeuren wurde die Lautstärke übereinstimmend als geringer bezeichnet. Die Infraschall-Messdaten in diesem Zeitbereich sind in Abbildung 5 dargestellt. Um einen Überblick über die aufgezeichneten Signale zu gewinnen, wird eine Betrachtung der Summenspur aller vier Registrierungen vorgenommen, wobei lediglich Frequenzen größer als 0.5 Hz berücksichtigt sind. Unterhalb 0.5 Hz, d.h. bei Wellenlängen über 600 m, beginnt der Bereich der sogenannten „microbaroms“. Bei diesen Infraschallsignalen handelt es sich um Wellen, die von Tiefdruckgebieten erzeugt werden und ein Maximum zwischen 0.15 Hz und 0.25 Hz aufweisen. Die Richtung dieser Wellen verändert sich nur langsam entsprechend der Wanderungsgeschwindigkeit der Tiefdruckgebiete. Ohne Eliminierung dieser tiefen Frequenzen mit einem Hochpassfilter würden die Spektren von den „microbaroms“ dominiert und die uns interessierenden Signale wären in den Sonogrammen nicht mehr oder kaum noch zu erkennen. Da ausgeschlossen werden kann, dass diese sehr langen Infraschallwellen natürlichen Ursprungs mit dem Brummton im Zusammenhang stehen, wird das Hauptaugenmerk auf den Frequenzbereich zwischen 0.5 Hz un 27 Hz gelegt.


Abbildung 5 zeigt in dem Frequenzband 0.5 Hz – 50 Hz mehrere monochromatische Signale, die anhand der waagerechten Linien in der Frequenz-Zeit-Analyse bzw. einer Spitze in der PSD-Kurve (rechts) zu erkennen sind. Neben verschiedenen, eng beieinander liegenden Bändern im Frequenzbereich zwischen 1 und 6 Hz ist die Linie bei 16.7 Hz besonders signifikant, zumal sie nach circa 75 Minuten abrupt endet. Es dürfte sich hierbei um die Netzfrequenz des deutschen Bahnnetzes (16 2/3 Hz) handeln. Die Quellen der übrigen Frequenzen lassen sich jedoch nicht so einfach erklären.
Die größeren Amplituden in der Zeitreihendarstellung in Abbildung 5 (oben), die durch kurzzeitige (transiente) Druckschwankungen hervorgerufen werden, spiegeln sich im Sonogramm als senkrechte Linien wider. In diesem Fall erstreckt sich das Signal nur über einen kurzen Zeitraum, verfügt aber über eine große Bandbreite.

Einen Höreindruck der in Abbildung 5 dargestellten Summationsspur vermittelt die Datei IS_SUM_020514_20.wav. Die aufgezeichneten Daten wurden entsprechend umformatiert und um den Faktor 64 in den hörbaren Bereich hochtransformiert. Aus der unteren Grenzfrequenz von 0.5 Hz werden damit 32 Hz. Entsprechend wird die durch die Abtastrate vorgegebene obere Grenzfrequenz von 50 Hz auf 3200 Hz transformiert. Aus der Hörprobe wird deutlich, dass es sich bei Infraschall weniger um ein monotones, dem Brummton ähnliches Geräusch handelt, als vielmehr um ein polyphones Geräusch, das am ehesten mit dem Wort Kakophonie charakterisiert werden kann. Hier sei darauf hingewiesen, dass mit dem Programm GoldWave Digital Audio Editor (eine Demonstrationsversion ist unter der Internetadresse http://www.goldwave.com erhältlich) die Signale verschieden schnell abgespielt und mit verschiedenen Filtern bearbeitet werden können.

Wie sich die Daten einer einzelnen Station vom Klang der summierten Tonspur unterscheiden, wird durch Anhörung der Datei IS_MOS1_020514_20.wav deutlich. Auch in diesem Fall stimmen die Schilderungen der Betroffenen über den Brummton mit dem Höreindruck nicht überein. Die deutlichen Frequenzänderungen, die zweifellos in dem Sonogram der Infraschallaufzeichnung sichtbar und in den WAV- Dateien hörbar sind, wurden von keinem der Betroffenen während der Messungen wahrgenommen.

Allein dieses Ergebnis schließt einen Zusammenhang zwischen Infraschallsignalen und Brummton nicht aus, da die Möglichkeit der selektiven Wahrnehmung von bestimmten Infraschallfrequenzen durch die Brummton-Betroffenen in Betracht gezogen werden muss. Um dies zu überprüfen, wurden die im Sonogramm der Abbildung 5 vorkommenden waagrecht verlaufenden Frequenzbänder einzeln untersucht. Diese Signale repräsentieren bekanntermaßen monochromatische Signale von vermutlich örtlich stationären Quellen. In den Messdaten treten diese Frequenzbänder nicht nur während der Anwesenheit der Betroffenen sondern auch danach auf. Der günstigste Zeitraum für die Untersuchung dieser Signale an den beiden Messtagen am 14. und 15. Mai lag jeweils nachts zwischen 22:00 Uhr und 2:00 Uhr (UT) (00:00 – 4:00 Uhr MESZ), da während dieser Zeit die geringstenFür die beiden genannten Zeiträume von jeweils vier Stunden Dauer wurden wiederum die Messdaten der einzelnen Stationen mit Frequenzen größer 0.5 Hz summiert und die Sonogramme sowie die mittleren Leistungsdichtespektren gebildet siehe Abb. 6). Wiederum weisen die Spektren die charakteristischen Spitzen und entsprechende waagrechte Linien in den Sonogrammen auf. Auch in den Daten der individuellen Stationen sind in den entsprechenden Zeitintervallen diese Strukturen zu erkennen, wie die Abbildungen 7 und 8 zeigen. Während sich die Zeitreihen der einzelnen mobilen Messstationen auf Grund lokal eng begrenzter Effekte unterscheiden – wahrscheinlich bedingt durch nachtaktive Tiere (s. Zeitreihe der Station MOS4 in Abbildung 7) –, weisen die Leistungsdichtespektren aller Stationen in Abbildung 6 die gleichen Spitzen auf. Daraus folgt, dass die Quellen dieser monochromatischen Signale außerhalb der Messanordnung liegen.

Beim genauen Vergleich der Zeitreihen und Sonogramme der Abbildungen 7 und 8 fallen kontinuierliche Signale konstanter Frequenz auf, die sich zum Teil geringfügig unterscheiden. Sofern die Frequenzunterschiede kleiner als einige Prozent sind, können sie durch die verschiedenen räumlichen Filter bedingt sein. Als weitere Ursache kommen unterschiedliche künstliche Quellen in Betracht, die nur temporär aktiv sind (man vergleiche das 16 2/3 Hz-Signal in Abbildung 5 und 6). In Tabelle 2 sind die übereinstimmenden Signalfrequenzen samt Wellenlängen für beide Messabschnitte und Anordnungen zusammengestellt. Mit Wellenlängen von 58 m bis 221 m liegen die Signale alle über der Auflösungsgrenze der beiden Dreiecks- anordnungen. Allerdings nimmt die Genauigkeit der Richtungsbestimmung mit zunehmender Wellenlänge ab. Die entsprechenden Genauigkeitswerte der mit den beiden Stationsnetzen erreichbaren Richtungsbestimmungen sind in Tabelle 2 für die verschiedenen Infraschallsignale aufgeführt. Die räumliche Ausdehnung der beiden Stationsanordnungen wurde speziell darauf abgestimmt, hochfrequente monochro- matische Signale mit Frequenzen im Bereich von 10 Hz bzw. 20 Hz, d.h. mit Wellenlängen von 30 m bzw. 15 m, aufzulösen. Diese Anforderung geht bei insge- samt vier zur Verfügung stehenden Stationen zu Lasten der Richtungsgenauigkeit bei Signalen mit größerer Wellenlänge.

[Tabelle 2]

Um Informationen über die Quelle bzw. den Quellort der monochromatischen Infra- schallsignale zu erhalten, werden mit den beiden Stationsanordnungen Richtungs- bestimmungen durchgeführt. Die dafür eingesetzten Verfahren werden teilweise auch in der (Array-) Seismologie angewandt:

• Der Fisher-Detektor im Frequenzbereich (z.B. Smart & Flinn, 1971), bei dem ähnlich wie bei einer Radarantenne alle möglichen Richtstrahlen (,,beams’’) getestet und deren relative Energie berechnet wird. Aus dem Richtstrahl mit der maximalen Signalenergie ergeben sich Richtung und Geschwindigkeit des aufgezeichneten Infraschallsignals.

• Das PMCC-Verfahren (,,Progressive Multi-Channel Correlation’’, z.B. Cansi et al., 1993; Cansi, 1995), bei dem anhand von Laufzeitunterschieden zwischen den einzelnen Stationen die Richtung und Geschwindigkeit eines Signals bestimmt wird.

• Die MUSIC-Methode (,,MUltiple SIgnal Classification’’, z.B. Schmidt, 1981; Bokelmann & Baisch, 1999), die auf einer Eigenwertzerlegung der Kreuzspektralmatrix der (komplexen) Zeitreihe zur Richtungspeilung basiert.

Eine Lokalisierung der Infraschallquellen lässt sich mit einem einzelnen Stationsnetz prinzipiell nicht durchführen, da allein aus Richtung und Geschwindigkeit der eintreffenden Wellen die Entfernung der Signalquelle nicht bestimmbar ist. Nur mit einem zweiten (mobilen) Netz könnte durch Kreuzpeilung der Standort ermittelt werden. Dennoch lassen sich die Ursprungsorte aufgrund verschiedener Überlegungen etwas eingrenzen. So ist davon auszugehen, dass, mit Ausnahme von 0.2Hz, die monochromatischen Signale mit großer Wahrscheinlichkeit durch künstliche Quellen entstehen, deren Abstand von wenigen bis zu mehreren zehn Kilometern von dem Registrierort entfernt liegen dürfte. Als mögliche Quellen kommen laufende Generatoren, schwere Maschinen, schwingende Brücken, Hochspannungsleitungen, Staustufen oder Pumpspeicherwerke in Betracht. Welche Quellen letztlich die beobachteten monochromatischen Signale generierten, ließ sich nicht ermitteln.

Alle drei Analyseverfahren lieferten übereinstimmende Ergebnisse bzgl. der Ankunftsrichtung und der scheinbaren Geschwindigkeit der beobachteten monochro- matischen Signale. In Abbildung 9 sind die Ergebnisse stellvertretend durch den Fisher-Detektor dargestellt, der die größte Flexibilität aller Verfahren in Bezug auf den Signalcharakter (transient oder monochromatisch) besitzt. In Tabelle 3 sind die untersuchten Frequenzen sowie die verwendeten schmalbandigen Bandpassfilter aufgeführt.

[Tabelle 3]

In zwei Fällen ist der Ursprung der monochromatischen Signale bekannt; dies gilt insbesondere für die bereits erwähnten „microbaroms“ bei etwa 0.2 Hz. Die Richtung dieses Signaltyps lässt sich aufgrund seiner Herkunft anhand von Wetterkarten überprüfen. Ein Vergleich der Rückazimute mit der Lage der Tiefdruckgebiete an den jeweiligen Tagen (http://imkpc3.physik.uni-karlsruhe.de/wz/) bestätigt die Wirksam- keit des Verfahrens. Desweiteren sind Signale mit einer Frequenz von 2.08 Hz aus der Seismologie bekannt. Durch mehrere Untersuchungen (z.B. Bokelmann & Baisch, 1999 und Querverweise) konnte belegt werden, dass laufende Stromgeneratoren diese Frequenz erzeugen. Nach Abbildung 9 kommen diese Wellen vorzugsweise aus süd-südwestlicher Richtung. Da den Autoren nicht bekannt ist, wo sich die nächstgelegenen Stromgeneratoren befinden, können die Ergebnisse nicht auf ihre Richtigkeit bzw. Genauigkeit überprüft werden.

In den meisten Fällen ergeben sich für die Richtungspeilungen der in Tabelle 3 aufgeführten Signale für beide Zeiträume unterschiedliche Werte, die ihrerseits wiederum stark streuen. Diese Streuung spiegelt sich in den Verteilungsrosen wider und kann durch verschiedene Effekte erklärt werden: Durch räumliche Ausdehnung der Quelle, zeitliche Variation der Signalstärke, durch Reflektionen der abgestrahlten Wellen an Hindernissen im Quellgebiet sowie durch drehende Winde in größerenHöhen, wo sich die Schallwellen ausbreiten. Einzig für das 2.23-Hz-Signal stimmen beide azimutalen Bestimmungen überein und auch die Streuung liegt im Bereich der Messgenauigkeit, wobei der Fehler für die kleinere Geometrie größer ist, bedingt durch die geringere Ausdehnung des Stationsnetzes.

Für das Frequenzband zwischen 2.7 und 4.3 Hz ist eine deutliche Amplituden- erhöhung während des zweiten Messzeitraums am 15.5. zwischen 70 und 160 min (vgl. Abb. 6 rechts und 8) zu beobachten. Dabei fällt die geringe Streuung der Richtungs- und Geschwindigkeitswerte auf. Sehr wahrscheinlich handelt es sich hier um eine eng begrenzte Infraschallquelle, die diese Signale erzeugt. Auch im ersten Untersuchungszeitraum liegt eine genaue Peilung vor, die jedoch auf ein starkes, zeitlich begrenztes (transientes) Signal zurückzuführen ist. Ähnlich verhält es sich bei der Richtungsbestimmung des 5.57-Hz-Signal.

Bei allen in Abbildung 9 dargestellten Richtungs- und Geschwindigkeitswerten wurden nur solche verwendet, die bestimmte Kriterien erfüllen. Insofern sind die Ergebnisse als zuverlässig zu betrachten. Auffallend ist, dass Signale einer bestimmten Frequenz notwendigerweise nicht von derselben Quelle stammen müssen. Diese Beobachtung bestätigen in Abbildung 10 besonders deutlich die Signale der Frequenz 5.57 Hz und zwischen 2.7 Hz und 4.4 Hz.

Für die in Tabelle 3 aufgeführten Frequenzbänder wurden die jeweiligen monochro- matischen Signale wiederum in den hörbaren Bereich transformiert, um möglicher- weise gemeinsamen Merkmale mit dem Brummton feststellen zu können. Die entsprechenden Wav-Dateien beziehen sich auf den Zeitraum vom 14.05 von 20:00 bis 22:00 (UT) und sind durch folgende Namen gekennzeichnet: IS_MOS1_149.wav, IS_MOS1_208.wav, IS_MOS1_223.wav, IS_MOS1_557.wav und IS_MOS1_270. Trotz vieler Versuche durch Variation der Abspielgeschwindigkeit und Kombination verschiedener Frequenzbänder gelang es nicht, auch nur entfernt ein dem Brummton ähnliches Geräusch mit den Infraschalldaten zu erzeugen. Der Vollständigkeit halber sind auch die in Abbildungen 6 dargestellten Daten, die jeweils einen Zeitraum von 4 Stunden überdecken, als Wav-Dateien abrufbar (IS_SUM_02051422.wav und IS_SUM_02051522.wav). Vom Klangbild unterscheiden sich diese Aufzeichnungen nicht von der Infraschall-Kakophonie am Abend des 14. Mai 2002, als sich einige Brummton-Betroffenen am Standort der Messungen einfanden.
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Schlussfolgerungen

Hinsichtlich der Zielsetzung, umfassende Erfahrungen mit dem Umgang der mobilen Messsysteme im Rahmen eines mehrtägigen Feldeinsatzes zu sammeln, kann ein positives Fazit gezogen werden. Es traten weder Datenverluste noch anderweitige Probleme mit den mobilen Datenerfassungseinheiten sowie der Wetterstation auf. Mit den unterschiedlich konzipierten räumlichen Filtern konnte das Hintergrund- rauschen wirkungsvoll reduziert werden. Es wurde sogar eine vergleichbare Rausch- unterdrückung wie mit den Filtern erreicht, die an der von der BGR betriebenen, fest installierten Infraschall-Messanlage I26DE nahe Bischofsreut im Bayrischen Wald eingesetzt werden. Es zeigte sich, dass im Vergleich zu I26DE die Aufnehmer- systeme der Mobilstationen im Frequenzbereich über 4 Hz geringeres Eigenrauschen aufweisen. An den fest installierten Stationen sind somit Nachbesserungen erforderlich.

Die anvisierte Kreuzpeilung zwischen der Mobilstation und I26DE für gleichzeitig registrierte Signale konnte nicht erprobt werden, da im Messzeitraum keine prominenten transiente Infraschallsignale, beispielsweise durch einen Meteoriten, auftraten. Eine Kreuzpeilung für die durch atlantische Tiefdruckgebiete erzeugten Infraschallwellen wäre zwar möglich, jedoch nicht sinnvoll, da das mobile Stationsnetz nicht für die Richtungsbestimmung derart niederfrequenter Signale ausgelegt worden war und dafür nicht genügend genaue Azimutwerte liefert. Die Fokussierung lag bei diesen Messungen auf Frequenzen oberhalb von 0.5 Hz, die im Zusammenhang mit dem Brummton untersucht wurden.

Ausgehend von den direkten Summenspuren wurden die Registrierungen der Mobilstationen nordwestlich von Blaubeuren auf die Existenz monochromatischer Signale mit stationärem Ursprung untersucht. Die Betrachtung der Summe im Zeit- als auch im Frequenzbereich gab einen Überblick über die gemessenen Daten. Ferner entspricht sie wohl am ehesten dem menschlichen Höreindruck, da hier ebenfalls eine Überlagerung mit Phasenunterschieden vorliegt. Aus diesem Grund wurden die gezeigten Summenspuren in den hörbaren Bereich transformiert und stehen als wav-Dateien zur Verfügung. Die zentralen Ergebnisse und Beobachtungen der Analyse der Messdaten hinsichtlich des Brummtons lassen sich wie folgt zusammenfassen:

• Während einige Betroffene der Messung nahe Blaubeuren beiwohnten, wurde von ihnen keine Änderung des Brummtons festgestellt. Hingegen weisen die Infraschallsignale eine Variabilität bzgl. ihrer Amplitude und ihres Auftretens in diesem Zeitraum auf.

• Die Signalamplituden sind sehr gering und liegen im klassischen Infraschallbereich, also bei Frequenzen kleiner 20 Hz, deutlich unterhalb der von Møller & Andresen (1984) beschriebenen Hörbarkeitsgrenze, die in Abbildung 10 durch die margenta-farbene, gestrichelte Linie ab 2 Hz angezeigt wird. So nimmt der Abstand zwischen dieser Kurve und den Infraschall-Messdaten mit abnehmender Frequenz bis zu drei Zehnerpotenzen (Faktor 1000) zu. Aufgrund dieses großen Abstandes ist eine Wahrnehmung des Infraschalls unter 10 Hz nahezu ausgeschlossen.

• Bei weiteren Messungen im Bayrischen Wald nahe Bischofsreut, die im Rahmen einer Langzeituntersuchung der Eigenschaften der in Blaubeuren erstmalig eingesetzten räumlichen Rausch-Unterdrückungsfilter gewonnen wurden, zeigen sich keinerlei Spitzen in den Leistungsdichtespektren. Auch ist an diesem Standort das Hintergrundrauschen geringer als in Blaubeuren, wie Abbildung 10 (unten) verdeutlicht. Dennoch nahmen die Betroffenen den Brummton in Bischofsreut deutlich wahr. Diese Beobachtung steht jedoch im Widerspruch zu einer möglichen selektiven Wahrnehmung bestimmter Infraschallfrequenzen als Brummton durch die Betroffenen.

Insgesamt legen diese Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung den Schluss nahe, dass der Brummton nicht durch Infraschallquellen erzeugt wird, da keine Indizien gefunden wurden, die auf einen Zusammenhang von Brummton und Infraschall schließen lassen. Obwohl diese Untersuchungen damit nicht zur Lösung des Phänomens „Brummton“ beigetragen haben, sind die Ergebnisse insofern von Nutzen, als die Ursachenforschung weiter eingegrenzt und Infraschall als mögliche Quelle nicht mehr in Betracht gezogen werden muss.

Möglicher Kontakt: Pressesprecher IGZAB: Matthias Mayer, Blaubeuren, Prof. Dr. H. Braun (FH-Karlsruhe).
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