Fluglärm schadet der Gesundheit
Verfasst: 02.03.2010
Fluglärm schadet der Gesundheit
In der FAZ vom 4.5.2010 erschienen
04. Februar 2010 Der Epidemiologe Eberhard Greiser hat die gesundheitlichen Folgen von Fluglärm anhand von Daten aus dem Raum Köln/Bonn untersucht. Die Studie wirft die Frage auf, ob dieser Aspekt beim Ausbau des Frankfurter Flughafens ausreichend berücksichtigt wurde. Im Gespräch mit der Rhein-Main-Zeitung äußert er sich dazu.
Im Hessischen Landtag ist eine Debatte darüber entbrannt, ob eine Studie über die gesundheitlichen Folgen von Fluglärm, wie Sie sie für den Raum Köln/Bonn erstellt haben, auch für die Rhein-Main-Region vor dem Ausbau des Frankfurter Flughafens Sinn mache.
Wie bewerten Sie die Diskussion? Fluglärm-Forscher Greiser hält eine Studie auch für das Umfeld des Frankfurter Flughafens für geboten.
Ich finde sie etwas bizarr. Die Ergebnisse müssten doch eigentlich alle stark interessieren. Entweder stellt sich heraus, dass es keine Gesundheitsschäden durch Fluglärm gibt, das würde die Position derer stützen, die für den Ausbau plädieren. Oder die Erkenntnisse der genannten Studie für Köln/Bonn werden bestätigt, und dann muss man sehen, wie man damit umgeht.
Auch eine Anhörung im Landtag lehnt die Landesregierung ab. Verkehrsminister Posch ist der Ansicht, Ihre Studie müsse zunächst wissenschaftlich erörtert werden. Von Panikmache und unbegründeter Hektik ist seitens der Regierungsparteien sogar die Rede. Gibt es in Europa oder weltweit Erkenntnisse, die mit Ihren vergleichbar sind?
Es gibt eine Reihe von Studien, die in die gleiche Richtung deuten. Aber noch keine war so umfangreich und konnte so detailliert ausgewertet werden. Zu der Frage der wissenschaftlichen Erörterung: Ich habe bei allen Studien, bei denen abzusehen war, dass ihre Ergebnisse kritisch beäugt würden, einen Beirat aus unabhängigen Wissenschaftlern etabliert. So war es auch diesmal. Sie haben durchaus kritisch nachgefragt und weitere Prüfungen verlangt. Das hat uns weitergeholfen.
Fühlen Sie sich andererseits nicht aber auch von den Gegnern des Ausbaus des Flughafens instrumentalisiert? Schließlich kamen Ihre Ergebnisse, insbesondere nächtlicher Fluglärm könne zu Bluthochdruck oder gar zu Schlaganfällen führen, in der aktuellen Diskussion um das Nachtflugverbot wie gerufen.
Während meiner gesamten akademischen Karriere habe ich stets Wert darauf gelegt, dass die Ergebnisse epidemiologischer Studien nicht nur wissenschaftlich publiziert werden, sondern auch in der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden. Und das möglichst in einer Form, die auch für den Laien verständlich ist. Das führt mitunter dazu, dass es einigen Interessengruppen zupasskommt. Aber ein bekanntes Gegenbeispiel ist unsere Studie im Umfeld des Kernkraftwerks Krümmel. Dort wurde ein weltweit einzigartiges Cluster von kindlicher Leukämie registriert. Wie haben dort die deutschlandweit größte Untersuchung zu Risikofaktoren für Leukämie und Lymphdrüsenkrebs durchgeführt. Am Ende, auch nach langer Diskussion mit dem Beirat, der mit Atomkaftgegnern und -befürwortern gleichermaßen besetzt war, kam heraus, Immissionen im Routinebetrieb von Kernkraftwerken können für diese Häufung der Erkrankungen nicht verantwortlich gemacht werden. Die Vertreter der Bürgerinitiativen waren stinksauer.
Noch ein Argument, mit dem das Ansinnen, eine Fluglärmstudie für Rhein-Main durchzuführen, abgewehrt wird, lautet, im Planfeststellungsbeschluss, das heißt in der Genehmigung für den Ausbau des Frankfurter Flughafens um eine Landebahn, seien bereits lärmmedizinische Befunde in einem Gutachten von vier Professoren ausreichend gegeneinander abgewogen worden.
Dieses Gutachten kenne ich. Ich halte die Herangehensweise für, gelinde gesagt, wissenschaftlich erschreckend.
Weshalb?
Als Epidemiologe will ich den Quellen immer auf den Grund gehen. Nur zum Beispiel der Abschnitt über die Begrenzung des nächtlichen Fluglärms: Darin wird eine Reihe von Publikationen zitiert, um bestimmte Grenzwerte zu begründen. Ich habe die Publikationen zwar alle gefunden, aber nur in Ausnahmefällen festgestellt, dass die zitierten Zahlen dort tatsächlich standen. Ich habe meine Vorwürfe sogar publiziert, dennoch haben sich die Autoren des Gutachtens dagegen nie verwahrt.
Hessens Verkehrsminister hält den Forderungen nach einer Studie auch noch entgegen, dass er damit in die Kompetenz des Bundesgesetzgebers eingreifen würde. Diesem obliege es, die Grenzwerte des Fluglärmschutzgesetzes festzulegen und sie gegebenenfalls zu verändern.
Ich kann ja verstehen, dass die hessische Landesregierung in dieser Frage unter Feuer steht. Das große Versprechen von dem absoluten Nachtflugverbot, das in der Mediation gegeben wurde, kann sie nicht mehr halten. Und natürlich steht im Fluglärmschutzgesetz, dass zehn Jahre nach Inkrafttreten die Wirksamkeit der Grenzwerte nachgewiesen werden solle. Aber ich frage: Wie wollen Sie etwas nachweisen, wenn Sie nicht feststellen, welche Gesundheitsbelastungen aufgetreten sind? Das muss im Umfeld der jeweiligen Flughäfen geschehen.
Ihre Untersuchungen basieren auf Arzneimittel-Verordnungen respektive auf von den Krankenkassen registrierten Erkrankungen. Auf den ersten Blick wirkt der Rückschluss, eine auffällig hohe Zahl etwa von Herz-Kreislauf-Erkrankungen hänge mit der Belastung durch Fluglärm zusammen, gewagt. Warum schließen Sie andere Ursachen aus?
Wir haben natürlich den Straßen- und Schienenlärm als weitere mögliche Ursachen berücksichtigt. Ich habe auch großen Wert darauf gelegt, dass wir einen sogenannten Sozialschicht-Indikator einbezogen haben, weil Lebensführung und Lebensumstände bei den meisten Erkrankungen ein ganz wesentlicher Faktor sind.
Wie lange würde eine Untersuchung für die Rhein-Main-Region dauern?
Es hängt davon ab, wie schnell die Kommunen die Daten über die Belastung durch Straßen- und Schienenlärm zur Verfügung stellen können. Die Fluglärmwerte stehen ohnehin zur Verfügung. Und in den Daten der Krankenkassen sehe ich überhaupt kein Problem. Wenn alles vernünftig läuft, würde es maximal ein Jahr dauern, bis Ergebnisse vorlägen.
Wie viel würde eine solche Studie kosten?
Ich schätze zwischen 500.000 und einer Million Euro.
Die Fragen stellte Helmut Schwan.
In der FAZ vom 4.5.2010 erschienen
04. Februar 2010 Der Epidemiologe Eberhard Greiser hat die gesundheitlichen Folgen von Fluglärm anhand von Daten aus dem Raum Köln/Bonn untersucht. Die Studie wirft die Frage auf, ob dieser Aspekt beim Ausbau des Frankfurter Flughafens ausreichend berücksichtigt wurde. Im Gespräch mit der Rhein-Main-Zeitung äußert er sich dazu.
Im Hessischen Landtag ist eine Debatte darüber entbrannt, ob eine Studie über die gesundheitlichen Folgen von Fluglärm, wie Sie sie für den Raum Köln/Bonn erstellt haben, auch für die Rhein-Main-Region vor dem Ausbau des Frankfurter Flughafens Sinn mache.
Wie bewerten Sie die Diskussion? Fluglärm-Forscher Greiser hält eine Studie auch für das Umfeld des Frankfurter Flughafens für geboten.
Ich finde sie etwas bizarr. Die Ergebnisse müssten doch eigentlich alle stark interessieren. Entweder stellt sich heraus, dass es keine Gesundheitsschäden durch Fluglärm gibt, das würde die Position derer stützen, die für den Ausbau plädieren. Oder die Erkenntnisse der genannten Studie für Köln/Bonn werden bestätigt, und dann muss man sehen, wie man damit umgeht.
Auch eine Anhörung im Landtag lehnt die Landesregierung ab. Verkehrsminister Posch ist der Ansicht, Ihre Studie müsse zunächst wissenschaftlich erörtert werden. Von Panikmache und unbegründeter Hektik ist seitens der Regierungsparteien sogar die Rede. Gibt es in Europa oder weltweit Erkenntnisse, die mit Ihren vergleichbar sind?
Es gibt eine Reihe von Studien, die in die gleiche Richtung deuten. Aber noch keine war so umfangreich und konnte so detailliert ausgewertet werden. Zu der Frage der wissenschaftlichen Erörterung: Ich habe bei allen Studien, bei denen abzusehen war, dass ihre Ergebnisse kritisch beäugt würden, einen Beirat aus unabhängigen Wissenschaftlern etabliert. So war es auch diesmal. Sie haben durchaus kritisch nachgefragt und weitere Prüfungen verlangt. Das hat uns weitergeholfen.
Fühlen Sie sich andererseits nicht aber auch von den Gegnern des Ausbaus des Flughafens instrumentalisiert? Schließlich kamen Ihre Ergebnisse, insbesondere nächtlicher Fluglärm könne zu Bluthochdruck oder gar zu Schlaganfällen führen, in der aktuellen Diskussion um das Nachtflugverbot wie gerufen.
Während meiner gesamten akademischen Karriere habe ich stets Wert darauf gelegt, dass die Ergebnisse epidemiologischer Studien nicht nur wissenschaftlich publiziert werden, sondern auch in der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden. Und das möglichst in einer Form, die auch für den Laien verständlich ist. Das führt mitunter dazu, dass es einigen Interessengruppen zupasskommt. Aber ein bekanntes Gegenbeispiel ist unsere Studie im Umfeld des Kernkraftwerks Krümmel. Dort wurde ein weltweit einzigartiges Cluster von kindlicher Leukämie registriert. Wie haben dort die deutschlandweit größte Untersuchung zu Risikofaktoren für Leukämie und Lymphdrüsenkrebs durchgeführt. Am Ende, auch nach langer Diskussion mit dem Beirat, der mit Atomkaftgegnern und -befürwortern gleichermaßen besetzt war, kam heraus, Immissionen im Routinebetrieb von Kernkraftwerken können für diese Häufung der Erkrankungen nicht verantwortlich gemacht werden. Die Vertreter der Bürgerinitiativen waren stinksauer.
Noch ein Argument, mit dem das Ansinnen, eine Fluglärmstudie für Rhein-Main durchzuführen, abgewehrt wird, lautet, im Planfeststellungsbeschluss, das heißt in der Genehmigung für den Ausbau des Frankfurter Flughafens um eine Landebahn, seien bereits lärmmedizinische Befunde in einem Gutachten von vier Professoren ausreichend gegeneinander abgewogen worden.
Dieses Gutachten kenne ich. Ich halte die Herangehensweise für, gelinde gesagt, wissenschaftlich erschreckend.
Weshalb?
Als Epidemiologe will ich den Quellen immer auf den Grund gehen. Nur zum Beispiel der Abschnitt über die Begrenzung des nächtlichen Fluglärms: Darin wird eine Reihe von Publikationen zitiert, um bestimmte Grenzwerte zu begründen. Ich habe die Publikationen zwar alle gefunden, aber nur in Ausnahmefällen festgestellt, dass die zitierten Zahlen dort tatsächlich standen. Ich habe meine Vorwürfe sogar publiziert, dennoch haben sich die Autoren des Gutachtens dagegen nie verwahrt.
Hessens Verkehrsminister hält den Forderungen nach einer Studie auch noch entgegen, dass er damit in die Kompetenz des Bundesgesetzgebers eingreifen würde. Diesem obliege es, die Grenzwerte des Fluglärmschutzgesetzes festzulegen und sie gegebenenfalls zu verändern.
Ich kann ja verstehen, dass die hessische Landesregierung in dieser Frage unter Feuer steht. Das große Versprechen von dem absoluten Nachtflugverbot, das in der Mediation gegeben wurde, kann sie nicht mehr halten. Und natürlich steht im Fluglärmschutzgesetz, dass zehn Jahre nach Inkrafttreten die Wirksamkeit der Grenzwerte nachgewiesen werden solle. Aber ich frage: Wie wollen Sie etwas nachweisen, wenn Sie nicht feststellen, welche Gesundheitsbelastungen aufgetreten sind? Das muss im Umfeld der jeweiligen Flughäfen geschehen.
Ihre Untersuchungen basieren auf Arzneimittel-Verordnungen respektive auf von den Krankenkassen registrierten Erkrankungen. Auf den ersten Blick wirkt der Rückschluss, eine auffällig hohe Zahl etwa von Herz-Kreislauf-Erkrankungen hänge mit der Belastung durch Fluglärm zusammen, gewagt. Warum schließen Sie andere Ursachen aus?
Wir haben natürlich den Straßen- und Schienenlärm als weitere mögliche Ursachen berücksichtigt. Ich habe auch großen Wert darauf gelegt, dass wir einen sogenannten Sozialschicht-Indikator einbezogen haben, weil Lebensführung und Lebensumstände bei den meisten Erkrankungen ein ganz wesentlicher Faktor sind.
Wie lange würde eine Untersuchung für die Rhein-Main-Region dauern?
Es hängt davon ab, wie schnell die Kommunen die Daten über die Belastung durch Straßen- und Schienenlärm zur Verfügung stellen können. Die Fluglärmwerte stehen ohnehin zur Verfügung. Und in den Daten der Krankenkassen sehe ich überhaupt kein Problem. Wenn alles vernünftig läuft, würde es maximal ein Jahr dauern, bis Ergebnisse vorlägen.
Wie viel würde eine solche Studie kosten?
Ich schätze zwischen 500.000 und einer Million Euro.
Die Fragen stellte Helmut Schwan.